Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit allgemeinen Gedanken zu diesem Thema. Und manchmal auch mit spezifischen Gedanken, wenn ich versuche das Allgemeine und das Spezifische in Verbindung zu setzen.
Allgemein gesprochen gibt es keinen weiteren Sinn im Dasein, in meiner Existenz. Zumindest nicht für mich – denn ich wurde geboren ohne mein bewusstes Zutun, auch bei meiner Zeugung war ich nicht aktiv beteiligt.
Nach der Geburt gab es eine lange Zeit des Unbewussten, dieses berühmte im Hier und Jetzt leben. Das damals Unbewusste, was mir als Erwachsenem nur noch gelingt, wenn ich es bewusst tue.
Den Zweck meiner Existenz, wobei ich den Begriff Zweck nicht zweckdienlich finde, als den Sinn in meinem Leben zu finden, brauchte ich damals noch nicht.
Das ging noch einige Jahrzehnte so, denn: Schule beenden, Studium finden, Studium beenden, Job finden, gut darin sein, Liebe finden, Familie gründen, Nest bauen – das alles waren Dinge mit denen ich ohne viel Nachdenken und dem Folgen des mir in die Wiege gelegten, nicht großartig reflektierten Skriptes Zeit verbringen konnte.
Das Skript brach jäh ab, als ich meine nicht reflektierten Ideal einer Monogamischen Partnerschaft brach. Als zeitgleich meine Gesundheit, die bis dahin ein gegebenes „Das ist normal, das es mir immer gut geht“ Ding war, nicht mehr so gegeben war. Als zeitgleich mein Chef mich während meiner langen Krankheitsphase durch Rufmord auf das Karriereabseitsgleis schob und mein Vertrauen in das bis dahin „es geht immer nur so weiter, es ist nur eine Frage der Zeit“-Motto erschütterte.
Diese drei Brüche erfolgen in einem engen zeitlichen Rahmen von 15 Monaten. Und jetzt, erst wo ich darüber schreibe stelle ich fest, dass es genau diese 3 Dinge, diese festen Säulen in meinem Leben: Liebe, Beruf und Gesundheit waren, die meine Grundüberzeugungen, meine Standards, meine bis dahin als selbstverständlich erachteten Fundamente ins Wanken und dann zum Einsturz brachten.
In dem Vorgang des Zusammenbrechens begann nun die Suche, die Suche nach den Ursachen. Die Suche nach dem ich. Die Suche nach dem Sinn meines Lebens. Was war noch richtig, und was war falsch? Was für ein Versager war ich eigentlich, und mit welcher Berechtigung war ich wütend auf mein Umfeld? Wut und Selbstzerstörung, darauf aufbauend dann meine fast schon liebgewonnene Dysthymie.
Heute – ganz viel Selbstschutz. Was kann ich mir zumuten? Was brauche ich um zu heilen? Und so langsam die Frage, die wieder aufkeimt: Wer bin ich, wer möchte ich sein?
Am Ende sterben wir. Bei mir können es noch 40 Jahre sein, oder 4 Jahre, oder 4 Monate, 4 Minuten, 4 Sekunden. Und kein Hahn wird danach krähen, was ich gemacht habe. Es gibt ein Gedicht von einem Herrn Shelley:
I met a traveller from an antique land
Who said: — Two vast and trunkless legs of stone
Stand in the desert… Near them, on the sand,
Half sunk, a shattered visage lies, whose frown,
And wrinkled lip, and sneer of cold command,
Tell that its sculptor well those passions read
Which yet survive, stamped on these lifeless things,
The hand that mocked them, and the heart that fed
And on the pedestal these words appear
‚My name is Ozymandias, king of kings
Look on my works, ye Mighty, and despair!‘
Nothing beside remains. Round the decay
Of that colossal wreck, boundless and bare
The lone and level sands stretch far away.
Und genau so wird es mit mir sein – bei manchen Menschen kennt man noch ihre Namen tausend Jahre später und zweitausend, manche nur, weil es die Schrift gab, die sie konservieren konnte und andere, weil man sich an sie erinnert. Unabhängig von dem äußeren Schaffen von Ozymandias, was nur noch Sand ist, ist er vor allem nur eins, und zwar seit der Sekunde seines Ablebens – tot. Er ist tot. Er bleibt tot. Egal ob seine Landschaften immer noch erblühen würden und sein Reich oder nicht, es ist egal. Er ist tot, für immer und ewig. Bestandteil dieses Universums geworden, Sternenstaub, eine Blume, die auch schon wieder zerfiel und zu einem Schmetterling oder einem Kackhaufen einer Kröte wurde. Nicht im Sinne der stofflichen, vollständigen Wiederverwertung, sondern im Sinne der Zerlegung eines Menschen in seine kleinsten Bestandteile, die dann in die Luft und in die Erde gehen. Auf atomarer Basis. Kleine Atome, die in das Wasser übergehen, welches eine Pflanze aus dem Boden zieht und sich davon ernährt. Und so weiter.
Also muss der Sinn auf die Zeit beschränkt sein, die ich hier bin. Ich könnte eine Job machen, der mir Spaß macht, meine Familie hegen und pflegen in dem Rahmen wie ich es brauche. So, dass die Kinder selbstständige Erwachsene werden, mit dem Urvertrauen ausgestattet, dass egal was sie im Leben erwischt, sie damit fertig werden. Eine Frau, die mir eine Stütze ist und der ich eine Stütze bin.
Eine Frau mit der ich lachen und weinen kann. Freunde, die mir zuhören, mir Mut zu sprechen, mich in den Arm nehmen, die ich in den Arm nehme und denen ich zu höre. Wenn ich dann noch gut esse und trinke und meine dann verfügbare Zeit mit Dingen fülle, die mir richtig erscheinen. Ist dann das der Sinn meines Lebens? Ich glaube nicht daran, dass ich eine Bestimmung brauche. Eine Bestimmung erscheint mir wie ein Placebo für das kaputt gegangene Lebensskript. Oha, ich hatte fremd oktroyierte Werte und Ziele, die sind weg, jetzt schaffe ich mir meinen eigenen Werte und Ziele und dann entspricht das dem Sinn meines Lebens?
Ich habe nur dieses eine Leben, nur diese eine Gelegenheit. Ist dann der Sinn meines Lebens vielleicht doch ganz allgemein „Glück1„? Wenn nichts zählt, was nach meinem Tod ist, wenn nichts von uns bleibt als Staub – ist dann das möglichst glückliche Verbringen des Lebens das einzig wahre Ziel?
Natürlich kann ich nun das Glück herunterbrechen und sagen: Diese Dinge, guter Sex, gutes Essen, gute Freunde, gute Beziehungen zu meinen Liebsten, das macht mich glücklich. Ist es so einfach?