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Und nu?

Ich arbeite 60%. Warum? Weil Dysthymie. Weil das Energie gekostet hat und Zeit. Sport, Therapie und die sinusförmige Wellenbewegung unterhalb der 0. An guten Tagen ging es fast nicht schlecht oder gerade so nicht schlecht. An schlechten Tagen ging es sehr schlecht. Die 60% haben enorm geholfen, oder besser gesagt, die zwei freien Tage pro Woche haben sehr geholfen.

Ich konnte die schlechte Laune ertragen anstatt sie auf der Arbeit zu zügeln, zu verstecken, zu unterdrücken. Ich habe sie zu Hause nicht raus gelassen, aber sie durfte sein. Und ich konnte tun, was ich wollte – was häufig bedeutete: Tür zu, PC zocken, niemanden sehen, niemanden hören. Die Kinder nicht, die Frau nicht und mich selber auch nicht.

Das lief einige Monate so, von Nov’23 bis Feb’24. Und so langsam hörte es irgendwie auf. Die Rückzugsnotwendigkeiten nahmen ab, die Selbstmordgedanken ebenso. Die Sinuskurve bekam eine Steigung, flachte in den unteren Bereichen ab, flachte auch nach oben hin ab. Es gibt immer mehr gute Tage, die sich tatsächlich im euphorischen Bereich Bewegen und mal eine ganze Woche, wo ich nicht in die Nähe einer wirklichen dysthymischen Phase komme.

Das verfestigt sich immer mehr. Es gibt immer noch schlechte Momente. Nun habe ich aber eine Toolbox, die mir ganz unterschiedliche Werkzeuge an die Hand gibt um sie recht schnell „realistisch“ einzusortieren.

Letztens war es mal wieder soweit, eine Führungskraft, nicht meine eigene, regte mich wahnsinnig auf. Da kamen Trigger und tatsächliches Kackverhalten zusammen. Das Bewusstsein, dass ich mich zuviel aufrege und gleichzeitig zu recht versöhnten mich schon an diesen in Summe 3 Tagen und sorgten dafür, dass die Stimmung nicht tiefer abrutschte.

Die Energie, die das alles gebraucht hat, ist noch nicht wieder ganz zuverlässig da. Aber ich schaffe schon soviel mehr als früher. Lichtschalter wechseln? Mache ich jetzt wieder einfach. Rasen in Ordnung bringen? Kein Ding. Mal nicht zocken? Kein Ding. Wirklich gute Zeit mit der Familie verbringen, weil ich da bin und mich einbringe, aber nicht zu sehr – sondern auch zuhöre – passiert wieder öfter.

Ich freue mich, dass ich noch weitere 6-7 Monate mit 60% unterwegs bin. Ich freue mich auf die vermutlich letzte Therapieeinheit. Dann werde ich 22 mal da gewesen sein und neben den 40% Gehaltsverzicht noch etwa 3000 Euro für die Therapie ausgegeben haben. Weil damals die Kraft nicht reichte mich um eine Krankenkassenpsychologin zu kümmern. Das ist aber ok, es war und ist es wert. Wenn der Wein mal 3 Euro kostet anstatt 6, wenn es nicht das Rumpsteak sondern die Rinderhüfte ist oder eben kein Steak, wenn es das Sonderangebot ist oder sonst halt gar nicht, wenn es der kleine, günstige Urlaub wird bzw. keiner, das ist alles kaum Einschränkung im Vergleich zu dem Zugewinn an Lebensqualität.

Ein wenig darf ich noch ruhen und mir entspannt überlegen, wie es weitergeht. 60%? 80%? 100%? Ich weiß es noch nicht. Und muss es auch noch nicht wissen. Müsste ich mich heute entscheiden, vielleicht 80%. Vielleicht bleibe ich aber auch bei den 60%.